Donnerstag, 28. Juni 2012

Du machst jedes Ding groß, das von dir Erinnerung hat


Geliebter, in deiner Größe machst du meine Wünsche, Gedanken und Leiden groß. Denn du bist so groß, dass jedes Ding groß ist, das von dir Erinnerung, Erkenntnis und Freude hat; und deine Größe macht alle Dinge klein, die gegen deine Ehre und deine Gebote sind.

Ramon Llull 

(Das Buch vom Freunde und dem Geliebten: Abschnitt 305)




Mittwoch, 27. Juni 2012

Nimm mich ganz, und lass mich dich ganz haben


Der Freund sprach zu seinem Geliebten: 
Du bist alles, bist überall und in allem und mit allem. 
Dich will ich ganz, damit ich alles habe und alles in mir ist.
Der Geliebte antwortete: 
Du kannst mich nicht ganz haben, 
ohne dass du ganz mein bist. 
Und der Freund sagte: 
Nimm mich ganz, und lass mich dich ganz haben. 
Der Geliebte antwortete: 
Was bleibt dann für deinen Sohn, deinen Bruder, deinen Vater? 
Der Freund sagte: 
Du bist dermaßen alles, dass du alles sein kannst in Fülle für jeden, 
der sich dir ganz hingibt.

   
Ramon Llull 

(das Buch vom Freunde und dem Geliebten: Abschnitt 68)

     

Samstag, 23. Juni 2012

Du warst früher schon ganz



 ...Du warst  früher schon ganz; da aber nach dem Ganzen dir auch etwas anderes anhaftete, wurdest du kleiner durch den Zusatz, denn nicht aus dem Seienden war  der Zusatz ( was könnte man Jenem  zusetzen, der  das  Ganze ist?) sondern aus dem Nichtseienden. Wer aber sein Gewordensein auch aus dem Nichtseienden hat, der ist nicht ganz, und er bleibt so, solange er das Nichtseiende nicht abgetan hat. Du wirst also selbst wachsen, wenn du das andere abweist, und erst dann wohnt dir das Eine bei. Bist du aber mit anderem verknüpft, dann erscheint Es nicht. 
Es braucht aber nicht zu kommen, um dir beizuwohnen, denn Es ist da... und du bist auch nicht von Ihm gegangen, nicht irgendwohin gegangen, sondern obwohl gegenwärtig hast du dich auf die andere Seite gedreht. 


Plotin


(Enneaden, VI,5,12 in der Übersetzung von H.F.Müller)


http://www.zeno.org


(Text sprachlich leicht verändert)

Donnerstag, 21. Juni 2012

Von der Armut des Geistes (2)


Da der zweite  Teil der Predigt 52 von Meister Eckhart  hat einige Zeit auf sich warten lassen,  stelle ich hier zuerst den Link auf den 1. Teil. 



Das ist ein armer Mensch, der nichts will und nichts weiß und nichts hat

Zum Zweiten ist der ein armer Mensch, der nichts weißWir haben manchmal gesagt, der Mensch sollte so leben als ob er nicht lebte, weder für sich selbst noch für die  Wahrheit noch für Gott. Aber jetzt sagen wir es anders und wollen ferner sagen, dass der Mensch, der diese Armut haben soll, alles haben soll, was er war, als er nicht lebte, in keiner Weise lebte, weder  für sich noch für die Wahrheit, noch für Gott; er soll vielmehr alles Wissens so quitt und ledig sein, dass selbst nicht Erkennen Gottes in ihm lebendig ist [dass er nicht erkenne, dass Gott in ihm ist].; denn als der Mensch in der ewigen Art Gottes stand, da lebte in ihm nichts Anderes: Was da lebte, das war er selbst. Daher sagen wir, dass der Mensch  so seines eigenen Wissens entledigt sein soll, wie er war, als er nicht war, und Gott wirken lasse, was er wolle, und frei dastehe, als wie er von Gott kam.


Nun ist die Frage, wovon allermeist die Seelheit [Seligkeit] abhänge? Etliche Meister haben gesagt, es komme auf das Begehren  [Lieben] an. Andere sagen, es komme auf Erkenntnis und Begehren an. Aber wir sagen, sie hänge nicht von der Erkenntnis noch von dem Begehren ab, sondern es ist ein Etwas in der Seele, aus dem fließt Erkenntnis und Begehren, das erkennt selbst nicht und begehrt nicht so wie die Kräfte der Seele. Wer dies erkennt, der erkennt, wovon die Seelheit abhänge. Dies Etwas  kennt weder ein Davor noch ein Danach, und es wartet nicht auf etwas Hinzukommendes, denn es kann weder gewinnen noch verlieren. Darum ist ihm jegliche Möglichkeit ganz und gar benommen, in sich zu wirken, es ist vielmehr immer dasselbe Selbe, das sich selbst in der Weise Gottes verzehrt  [genießt]. So, meine ich, soll der Mensch quitt und ledig dastehen, dass er nicht weiß noch erkennt, was Gott in ihm wirkt, und da kann der Mensch Armut sein Eigen nennen. Die Meister sagen, Gott sei Wesen, und zwar ein vernünftiges Wesen, und erkenne alle Dinge. Aber ich sage: Gott ist weder Wesen noch Vernunft, noch erkennt er etwas, nicht dies und nicht das. Darum ist Gott aller Dinge entledigt, und darum ist er alle Dinge. Wer nun des Geistes arm sein will, der muss an seinem eigenen Wissen arm sein, wie einer, der nichts weiß  weder Gott noch Kreatur, noch sich selbst.  Deshalb solle der Mensch nicht begehren, den Weg Gottes zu wissen oder zu erkennen.     
In diesem Sinne kann der Mensch arm sein an seinem eigenen Wissen.

Meister Eckhart


Quelle:  Meister Eckarts Mystische Schriften, hrsg. von Gustav Landauer, 1903
http://www.marschler.at/eckhart-landauer/meister-eckhart-mystische-schriften.pdf

( Sprachlich leicht verändert)




Link zu Von der Armut des Geistes (3)



Montag, 18. Juni 2012

Er sitzt im Schatten der Liebe



Auf diesem Baum ist ein Vogel: Er tanzt in der Freude des Lebens.
Keiner weiß, wo es ist: Und wer weiß, was sein Refrain bedeuten mag?
Wo die Zweige einen tiefen Schatten werfen, dort hat er sein Nest:
Und er kommt am Abend und fliegt am Morgen wieder fort,
Und er sagt kein Wort darüber, was sein Refrain bedeutet.
Keiner erzählt mir von dem Vogel, der in meinem Inneren singt.
Er ist weder bunt, noch farblos: 
Er hat weder eine Gestalt noch eine Kontur:
Er sitzt im Schatten der Liebe. 
Er wohnt im Inneren der Unerreichbarkeit, in dem Unendlichen und dem Ewigen;
Und niemand nimmt es wahr, wenn er kommt und geht.

Kabîr sagt: "Oh Bruder Sadhu! Es ist ein tiefes Mysterium.
Lasse weise Menschen danach suchen, wo dieser Vogel ruht."
Kabir
Quelle:  http://doormann.tripod.com/kabirlieder.htm

Foto: © Lindenthal / photocase.com

Mittwoch, 13. Juni 2012

Mehr als alles andere verehre ich die Liebe








Mehr als alles andere verehre ich aus ganzem Herzen die Liebe, die mich in dieser Welt ein grenzenloses Leben leben läßt.
Sie gleicht dem Lotus, der im Wasser lebt und auch im Wasser blüht.
Doch reicht das Wasser nicht bis an die Blüten heran 
und kann sie nicht berühren.
Sie öffnen sich jenseits der Reichweite des Wassers.
Es gleicht einer Frau, die das Feuer erreicht durch das Bieten der Liebe.
Dieser Ozean der Welt ist schwer zu überqueren. 
Seine Wasser sind sehr tief.
Kabîr sagt: "Hör mir zu, Sadhu! 
Es sind nur Wenige, die sein Ende erreicht haben."  
Kabir


Dienstag, 12. Juni 2012

Ein Zitat über die Seele...(3)




" Die individuelle Seele soll mit der Weltseele übereinstimmen."

Novalis 




Foto: © schachspieler /photocase.de 

Freitag, 8. Juni 2012

Die Liebe kann nur von Gott gelenkt werden


Die Liebe strömt aus der unerschöpflichen Quelle in Dir  und  kann nur von Dir gelenkt werden. Alle anderen Formen, die wir auch Liebe nennen, die aber bar Deiner sind,  sind nur bleiche Widerscheine  der Liebe, die Du bist.
Und sie können sogar die Negation jener  Liebe werden, wenn sie, indem sie sich  ausschließlich auf einen bestimmten Menschen oder auf eine bestimmte Situation beziehen, das Wesen der Liebe verneinen, die ihrer Natur nach ewig, universal ist und keinen vorziehen kann, sondern nur jedes Ding in sich  einhüllen. 



L’Amore fluisce dalla fonte inesauribile che è in Te e può essere governato solo Te. Tutte le altre forme, alle quali diamo il nome di amore, ma che sono scevre di Te, non sono che pallidi riflessi di quell’Amore che Tu sei.
E ne possono diventare la totale negazione, allorché, riferendosi  esclusivamente ad una persona o una situazione, negano l’essenza dell’Amore, che per Sua natura è eterna, universale e non può privilegiare alcuno ma solo 
avvolgere in sé ogni cosa. 



Fragmenta 
Liebeslied/Mai2005 
©

Mich in der Seligkeit Deiner ...



Mich in Dir verlieren, in der Seligkeit Deiner, im Lächeln des Friedens, im Licht, das Du selbst bist.... das ist der feste Fels, auf dem mein Geist ruhen will,  der Glanz, nach dem meine Augen dürsten.  



Perdermi in te, nella Beatitudine di Te, nel sorriso della Pace, nella Luce, che Tu stesso sei ... questa è la solida roccia su cui voglio poggiare la mia mente, lo Splendore di cui  hanno fame i miei occhi.



Fragmenta 
Liebeslied/Mai2005 

Donnerstag, 7. Juni 2012

Du bist Eins und Alles


Du  bist die Wurzel 
der gegenwärtigen, vergangenen 
und künftigen Dinge, die da sind. 
Du bist die Stimme, Du bist das Stillschweigen, 
die fruchtbare Natur der Natur.---
Sei mir gegrüßt,
du großer Mittelpunkt aller Dinge, 
du Einheit der göttlichen Zahlen. ---
Was ist, o König, das nicht dein wäre? 
Du Vater aller Väter, 
Vater Deiner selbst, 
vorher Vater, ohne Vater; 
Du Sohn deiner selbst; 
Einheit vor der Einheit, 
Same und Mittelpunkt aller Dinge, 
ewiger Verstand ohne Substanz: 
Wurzel der Welt, 
alles umgebende Licht der von Anfang erschaffenen Dinge; 
weise Wahrheit; 
Brunnen der Brunnen, 
Anfang der Anfänge; 
Wurzel der Wurzeln, 
Einheit  der Einheiten, 
Zahl der Zahlen, 
Einheit und Zahl, 
Verstand und verständiges Wesen; 
zugleich was verstanden verden kann, 
und eher als das, was verstanden wird. 
Eins und Alles, 
und doch Eins aller Dinge, und Eins vor allen, 
Same von allem, 
die Wurzel und der höchste Zweig,
die Natur unter den verständigen Wesen, 
Weib und Mann. --- 
Du bist was gebiert, Du bist was geboren wird, 
Du bist der erleuchtet und erleuchtet wird, 
Eins und Alles, 
Eins in dir selbst und durch alle.


Synesios von Kyrene 


Quelle: Johann Christoph Adelung, Geschichte der Philosophie für Liebhaber, Band 2, S. 377

Dienstag, 5. Juni 2012

Alles Mystische ist personell



Alles Mystische ist personell 
und mithin eine Elementarvariation  des Weltalls. 

Novalis

 (Fragmente)


Foto:© Brandt Marke / photocase.com




Samstag, 2. Juni 2012

Entlaube mich...





Entlaube mich 
Blatt für Blatt,
wie Du willst
als  stürmischer Wind
oder milder Zephir
bis ich, nackter Zweig,
zu meiner Essenz gebracht,
in Deinem Feuer 
verbrennen könne
und  mich
in Deiner Liebe 
                                     verneine.                                     
Ich will nicht schmücken,
nicht müden Wanderern 
Schatten bieten,
nur ausbrennen,
um in Dir  zu wahrem, 
ich-aufgelöstem Leben 
wieder geboren zu werden


Spogliami foglia a foglia,
come Tu vuoi,
come vento tempestoso
o dolce zefiro,
finché  io, nudo ramo,
ridotto alla mia essenza,
possa bruciare
del Tuo fuoco 
e consumarmi 
nel Tuo Amore
Non voglio  abbellire
né offrir ombra
 a stanchi  passanti
ma solo ardere
ardere
per rinascere a vera vita
indistinta  in Te.


Fragmenta 
Liebeslied/Mai2005
© 



Foto: © aremac / photocase.com

Freitag, 1. Juni 2012

Ein Zitat über die Seele...(2)






"Die Seele ist mehr, wo sie liebt als wo sie dem Leib Leben gibt"

Augustinus von Hippo




Antonio Canova: "Amor und Psyche"
Foto: Wikipedia Commons
http://it.wikipedia.org/wiki/File:Amore_e_psiche_(1).jpg