Mittwoch, 29. August 2012

"Weil ich die Liebe selber bin"



Wenn wir fliehen - Du folgst uns nach. 
Kehren wir Dir den Rücken - Du trittst uns vors Angesicht. 
Du flehst voller Demut - aber Du wirst verachtet. 
Weder Beschämung noch Verachtung kann Dich dahin bringen, 
Dich abzuwenden. 
Du bist unermüdlich, uns zu jenen Freuden zu ziehen, 
die kein Auge gesehen, die kein Ohr gehört hat 
und die noch nie in eines Menschen Herz gekommen sind. 

Gertrud von Helfta

(Gesandter der göttlichen Liebe, II,3)






„Dass ich dich überaus liebe, das habe ich von Natur, 
weil ich die Liebe selber bin. 
Dass ich dich oftmals liebe, hab ich von meiner Sehnsucht, 
weil ich ersehne, dass man mich herzlich liebt.
Dass ich dich lange liebe, kommt von meiner Ewigkeit, 
weil ich ohne Anfang und ohne Ende bin ".

Mechthild von Magdeburg

(Das fließende Buch der Gottheit, Buch I,24)


 "Die Erschaffung Adams" von  Andrea Pisano, Florenz
Foto: Wikipedia Commons




Sonntag, 26. August 2012

Das Rad der Liebe dreht am Himmel





Die Frau, die getrennt ist von ihrem Geliebten,
spinnt an ihrem Spinnrad.
Die Häuser des Körpers erscheinen in ihrer Schönheit
und in ihnen ist der Palast des  Verstandes gebaut.
Das Rad der Liebe dreht am Himmel
und der Sitz ist aus Juwelen des Wissens gemacht.
Welch feine raffinierte Fäden webt die Frau
mit ihrer Liebe und Verehrung.
Kabir sagt: 
"Ich webe die Girlande von Tag und Nacht.
Wenn mein Geliebter kommt und berührt mich mit seinen Füßen,
werde ich ihm meine Tränen anbieten"


Donnerstag, 23. August 2012

Beten heißt Hören.


    



Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde,
da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen.
Zuletzt wurde ich ganz still.

Ich wurde, 
was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist, 
ich wurde ein Hörer.

Ich meinte erst, Beten sei Reden.
Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist,
sondern Hören.

So ist es:
Beten heißt nicht sich selbst reden hören,
beten heißt still werden und still sein und warten,
bis der Betende Gott hört.


Søren Kierkegaard


Foto @ bobby fischer / photocase,com

Montag, 20. August 2012

Ziehe meine fließende Seele in dich hinein...







Eia, gütiger Vater, 
Gott des Himmels, 
ziehe meine durch und durch 
fließende Seele 
ohne Rücksicht in dich hinein 
und fließe ihr, Herr, 
mit deiner ganzen Wonne entgegen, 
die du in dir hast. 
Dann kann sie bitten
und gebieten und dich, Herr, 
für alle deine Güte aufs höchste
lobpreisen.



Mechthild von Magdeburg


(Das fließende Licht der Gottheit: V,35)


Freitag, 17. August 2012

Glaubt ihr, dass ich ihn nicht fühle?





„Glaubt ihr, 
dass ich ihn nicht fühle?
 Gott kann beides: 
kräftig brennen 
und tröstlich kühlen." 



Mechthild von Magdeburg
(Das fließende Licht der Gottheit, I, 44)


Abstrakte Malerei von © Maria M. Hahmann


Mittwoch, 15. August 2012

Wir sind beide in eins geflossen




Da sprach 
der liebende Mund,
der meine Seele küsste wund,
in seinen erhabenen Worten,
die ich Unwürdige hörte:
Du bist meiner Sehnsucht Liebesfühlen,
Du bist meiner Brust ein süßes Kühlen,
Du bist ein inniger Kuß meines Mundes,
Du bist eine selige Freude meines Fundes,
Ich bin in dir, du bist in Mir,
Wir können einander nicht näher sein,
Denn wir sind beide in eins geflossen
Und sind in eine Form gegossen
Und verbleiben so ewig unverdrossen.

Mechthild von Magdeburg

(Das fließende Licht der Gottheit, Buch III,V)


Abstrakte Malerei von Fernando Bohorquez
www.bohorquez-atelier.de


Dienstag, 14. August 2012

Mein Auge ist nur dazu da, dass es dich spiegelt



Mein Auge ist nur dazu da,
dass es dich spiegelt.
Mein Mund,
damit er deinen Mund versiegelt.
Die Hand,
damit sie deine Hand behalte.
Mein Sinn,
damit er deinen Sinn entfalte.


Hafez 


Foto © madochab / photocase.com

O wenn es mir schon hier gelänge...




O wenn es mir schon hier gelänge,
was ich begehre,
und wenn mir gegeben würde,
dass zu mir kommt
mein lieber Wunsch
und du wahrhaftig zu mir umkehrst
und mich erquickst
im überaus lieblichen Kuss 
deiner gnädigen Huld.
O könnte ich doch,
o mein liebstes Lieb,
ganz tief in meinem Inneren
dich ergreifen
und mit Küssen überhäufen,
um, wahrhaft mit dir vereint,
mich dir anzuschmiegen unzertrennlich.

Gertrud von Helfta

Foto © Galle 77 /photocase.com

Freitag, 10. August 2012

Ich bin eingetaucht in das eine große Vergnügen




Seit dem Tag, als ich meinen Herrn traf, gab es 
kein Ende in unserem Liebesspiel. 
Ich schließe nicht meine Augen; ich verschließe nicht meine Ohren, 
ich kasteie nicht meinen Körper; 
Ich sehe mit offenen Augen und lächle, 
und erblicke seine Schönheit überall: 
Ich spreche seinen Namen aus und was immer ich sehe, 
es erinnert mich an Ihn;  
was immer ich tue, wird zu seiner Verehrung.
Das Aufsteigen und das Absteigen sind Eines für mich. 
Alle Widersprüche sind aufgelöst.
Wo auch immer ich gehe, bewege ich mich um Ihn herum, 
alles was ich vollbringe ist Dienst: 
Wenn ich liege, liege ich zu seinen Füßen nieder. 
Er ist der Einzige, der für mich verehrungswürdig ist: 
Ich habe keinen Anderen. 
Meine Zunge hat die schmutzigen Worte abgelegt, 
sie singt seine Herrlichkeit Tag und Nacht: 
Ob ich aufstehe oder mich setze, ich kann Ihn niemals vergessen; 
denn der Rhythmus seiner Musik schlägt in meinen Ohren. 
Kabîr sagt: 
"Mein Herz ist rasend und ich offenbare 
was in meiner Seele verborgen ist. 
Ich bin eingetaucht in das eine große Vergnügen, 
welches alle Freude und allen Schmerz durchdringt."


Donnerstag, 9. August 2012

Wie könnte ich denn meiner Natur widerstehn?


Der Fisch kann im Wasser nicht ertrinken,
der Vogel in den Lüften nicht versinken, 
das Gold ist im Feuer nie vergangen, 
denn es wird dort Klarheit und leuchtenden Glanz empfangen. 
Gott hat allen Kreaturen das gegeben, 
dass sie ihrer Natur gemäß leben.
Wie könnte ich denn meiner Natur widerstehn? 
Ich muss von allen Dingen weg zu Gott hingehn, 
der mein Vater ist von Natur, 
mein Bruder nach seiner Menschheit,
mein Bräutigam von Minnen 
und ich seine Braut ohne Beginnen.

Mechthild von Magdeburg

aus "Das fließende Licht der Gottheit"





Mittwoch, 8. August 2012

Der Mensch kann Gott nicht entfliehen


Die Erde kann dem Himmel nicht entfliehen: Sie fliehe auf oder nieder, der Himmel fließt in sie und drückt seine Kraft in sie und macht sie fruchtbar, es sei ihr lieb oder leid. So tut Gott dem Menschen: Der ihm entfliehen möchte, der läuft ihm in den Schoß, denn ihm sind alle Winkel offen. Gott gebiert seinen Sohn in dir, es sei dir lieb oder leid, du schlafest oder wachest, Gott tut das Seine. Dass der Mensch das nicht empfindet, das liegt daran, dass seine Zunge mit dem Unflat der Kreatur beschmutzt ist und das Salz der göttlichen Liebe nicht hat. Hätten wir die göttliche Liebe, so schmeckten wir Gott und alle die Werke, die Gott je wirkte, und wir empfingen alle Dinge von Gott und wirkten dieselben Werke alle, die er wirkt. In dieser Gleichheit sind wir alle ein einziger Sohn.

Meister Eckhart

Aus der Predigt Von Gott und der Welt
Quelle: Meister Eckarts Mystische Schriften, hrsg. von Gustav Landauer, 1903

Montag, 6. August 2012

Eia, o Gott...



Eia, o Gott,
meine heilige süße Wonne,
du,
dehne aus mein Herz in dich,
und meine Seele mache weit,
daß alle Gefäße meines Inneren
erfüllt werden von deiner Glorie.

Gertrud von Helfta

O Liebe, dich zu genießen...


O Liebe, dich zu genießen,
das ist,
wenn das göttliche Wort und die Seele
sich in größter Huld und Würde
inniglich verbinden,
bewirkt durch die vollkommene
Einung mit Gott.
Mit dir zu verkehren,
das ist,
sich mit Gott zu verflechten.
Dich zu genießen,
das ist,
mit Gott eins zu werden.
Du bist jener Friede,
der alles Sinnen übersteigt,
und du bist dort der Weg,
auf dem man hingelangt zum Brautgemach.

Freitag, 3. August 2012

Du bist meiner Seele Durst...

Wie lange noch,
wie lange werde ich noch darauf warten,
o mein Geliebter,
dich zu genießen
und dein liebenswertes Angesicht
zu betrachten?
Du bist meiner Seele Durst.
Himmel, Erde und alles,
was auf ihnen ist:
ohne dich sind sie mir
so wie ein eisiger Frost des Winters.
Dein liebenswertes Angesicht
ist mir die einzige Tröstung,
und Trost des Frühlings.


Gertrud von Helfta





Mittwoch, 1. August 2012

Die Gelassenheit


Ich mag nicht Kraft, Gewalt, Kunst, Weisheit, Reichtum, Schein:
Ich will nur als ein Kind in meinem Vater sein.




Angelus Silesius


(aus dem Cherubinischen Wandersmann)