Mittwoch, 17. April 2013

Jenseits aller Worte






Es ist die Barmherzigkeit meines wahren Lehrers, die mich 
das Unbekannte wissen ließ.
Ich habe von Ihm gelernt, wie man ohne Füße gehen, ohne Augen sehen, 
ohne Ohren hören, ohne Mund trinken und ohne Flügel fliegen kann.
Ich habe meine Liebe und meine Meditation in das Land gebracht, in dem keine Sonne ist und kein Mond, noch Tag und Nacht.
Ohne zu essen habe ich von der Süße des Nektars gekostet 
und ohne Wasser habe ich meinen Durst gestillt.
Dort, wo es auf das Vergnügen eine Antwort gibt, dort ist die Fülle der Freude.
Vor wem kann man diese Freude ausdrücken?

Kabîr sagt: 
"Der Lehrer ist groß, jenseits aller Worte und groß ist das Glück des Schülers." 


Kabir



Die Lieder des Kabir


Foto: Meditation © Xenia Illapo

Montag, 15. April 2013

Mystischer Tod


Der Weise stirbt nicht mehr, er ist zuvor schon tot,
Tot aller Eitelkeit, tot allem, was nicht Gott.

Angelus Silesius

(Cherubinischer Wandersmann VI, 241)


Der unendliche Augenblick

   
  Es gibt Situationen, da fühlt die Seele Seine Gegenwart plötzlich auf eine Weise, die einen Irrtum unmöglich macht, und mit Zittern und Angst ruft sie: 
" Du bist der, der Himmel und Erde gemacht hat! ". Und sie will sich verstecken, will davon laufen vor dieser Gegenwart und kann es doch nicht, weil sie wie zwischen Wand und Schwert steht, zwischen Ihm und Ihm. Sie kann sich nicht verbergen, weil diese Gegenwart Himmel und Erde überschwemmt und weil sie auch die Seele vollkommen einhüllt. 
    ...
    Sie spürt eine solche Süße in sich eindringen, dass diese Süße Schmerz wird, unendlicher Schmerz, eine unendliche Bitterkeit und eine unendliche Süße. Das ganze dauert vielleicht eine einzige Sekunde, und vielleicht wiederholt sich im ganzen Leben nicht noch einmal. Die Seele, die aber einmal diese Sekunde erfahren hat, fühlt alle Schönheit und alle Freude und alles Glück dahinschwinden, sie sind "nichts als Dung", wie die Heiligen sagen (Skybala- "Scheiße", sagt Paulus), nichts erfreut sie mehr als diese Seligkeit. Von nun an wird ihr ganzes Leben ein Leben des Leidens und der Sehnsucht, weil sie wahnsinnig geworden ist, wahnsinnig vor Liebe und Verlangen nach dem, was sie einmal geschmeckt hat. Und sie würde alle Schmerzen und alle Folter erleiden, nur um ein zweites Mal noch eine Sekunde, noch einen Tropfen von dieser Gegenwart zu kosten. Freundschaft, Liebe, Wein, Reisen und Feste, alles ist dahingeschwunden, nie mehr wird die Seele eine größere Freude verspüren als die, die sie einmal erfahren durfte


Ernesto Cardenal


(Das Buch von der Liebe, Peter Hammer Verlag, S. 69 )

Wir sind ein Nichts, auf das sich ein Alles projiziert.

    Wir sind Ebenbilder Gottes, Kunstwerke. Unser innerstes Geheimnis, unsere letzte Daseinsberechtigung ist, dass wir nicht nur wir selbst, sondern Ebenbilder sind. Der Sinn unseres Lebens ist nicht, wir selbst sein, sondern Kopien, Fotos eines anderen. Nur wenn dieser Andere durch uns hindurchscheint, sind wir wir selbst. Wir sind wie eine weiße Leinwand, auf der sich Gott projiziert. Nehmen wir den Film weg, bleibt nichts übrig.
   Diese Dualität ist das Geheimnis des Menschen: wir sind alles, und zur gleichen Zeit sind wir nichts. Wir sind ein Nichts, auf das sich ein Alles projiziert. Wir können aber willentlich dieses Alles auslöschen. Eine sündige Seele ist dann das Nichts.
    Einerseits sind wir Kinder des Nichts, und andererseits sind wir Kinder Gottes, weil Gott uns aus dem Nichts erschuf. Das Nichts und Gott, das ist die Dualität des Menschen.
   Wir sind aus dem Schoße Gottes hervorgegangen, in dem wir die ganze Ewigkeit hindurch ein Teil Gottes waren. Und nie werden wir Frieden finden, ehe wir nicht zu Gott zurückkehren.

     Inzwischen leben wir im Exil. 
   

Ernesto Cardenal

(Das Buch von der Liebe, Peter Hammer Verlag, S. 113)